Montag, 28. Mai 2007

Sorglos NRZ am Sonntag 27.05.2007

Die unter dem Titel "Sorglos" als Glosse erschienene Story von Maike Maibaum könnte in Mülheim an der Ruhr passiert sein:


"Keine Ahnung, warum alle Welt über die teure Müllentsorgung jammert. Wir entsorgen umsonst. Nicht Nachts auf der A 40, sondern vor der Tür in einer grauen, allen 478 europäischen Din-Normen entsprechenden 120-Liter Tonne. Eigentlich kostet das 358 Euro im Jahr, aber wir warten seit Januar auf die Rechnung. Weil ich als brave Steuerzahlerin nicht an der Schließung von Bibliotheken und der Streichung von Südfrankreich-Dienstreisen für Politiker schuld sein möchte, rief ich fünfmal die städtischen Entsorgungsbetriebe an und rang um eine Rechnung. Beim letzten Mal sagte mir eine Angestellte etwasabfällig: Erst müsse ich beweisen, dass ich überhaupt Eigentümerin des betreffenden Hauses sei. Ich fragte vorsichtig, wie oft es denn vorkomme, dass jemandfreiwillig die Müllgebührfür fremde Tonnen bezahle. Nein, das war noch nie vorgekommen, aber es gebe Vorschriften... Dann sah die Dame in Ihren PC und stellte fest, dass unter der besagten Adresse keine Familie Maibaum wohne. Ich wurde von einer kurzen heftigen Existenzkrise geschüttelt, raste durch alle Räume, fand derbe Unordnung und zu der Überzeugung, dass hier eindeutig meine Familie hause. Nein, in dem Haus lebe eine Frau L., widersprach die Ensorgungs-Dame und verfehlte ihren Job, weil ich mich nun sorgte. Die Vorbesitzerin Frau L. ist 2005 gestorben... Schon spürte ich einen Lufthauch und sah einen grauen Schatten, der grinste und - eine Mülltüte in der Hand hielt. Um das Telefonat in eine bodenständige Richtung zu lenken, sage ich, dass die verstorbene Frau L. auch sicher künftig die Rechnung bezahlen dürfe. Das könne Sie nicht entscheiden, sagte die Angestellte, während sich der Schatten bog und sich auf die transparenten Schenkel klopfte. Ich hatte selten so ein geistreiches Gespräch mit der Stadtverwaltung. Wenn auch für die Tonne. 120l Müll, wöchentlich, 0 €."

Natürlich ist diese Geschichte nicht in Mülheim an der Ruhr passiert, denn hier befindet sich die Entsorgung nicht mehr vollständig in städtischer Hand - außerdem sind die Restmülltonnen nicht grau sondern grün. Was aber wie in Mülheim ist, ist die Kommunikation. Diese gestaltet sich noch schwieriger als in dem dargestellten Beispiel. Mit der MEG wurde nämlich ein zusätzlicher Gesprächspartner mit ins Boot geholt, was dazu führt, dass der Bürger ggf. zwei Stellen kontaktieren muss und dort zweimal missverstanden werden kann. Untereinander kommunizieren diese zwei Stellen anscheinend nur äußerst selten. Hier vor Ort fällt nämlich folgendes auf. Viele Mülltonnen sind an den Leerungstagen absolut überfüllt - insbesondere vor bestimmten Häusern, die hier in der Nachbarschaft auch wohlbekannt sind. Da üblicherweise nichts mitgenommen wird was daneben steht, entsorgt man den Haus- und Restmüll eben direkt auf der Straße oder in den umliegenden Altpapiercontainern. Ein gutes Beispiel hierfür ist der zentrale Abfallsammelplatz auf der Insel der Gestrandeten (Charlottenstr. Ecke Falkstr.). Auch entsorgen viele Kleingewerbetreibende hier ihren Gewerbemüll. Besonders lecker war einmal eine ganze Mülltüte von Hähnchenklein, wahrscheinlich aus dem nächsten Afro-Shop oder Dönerbude. Je nach Windrichtung wird der Müll und Gestank dann schön über die Straßen verteilt, ein Anblick, den man sonst eigentlich nur aus Entwicklungsländern kennt. Viele Anwohner habe sich hierüber schon erfolglos beschwert. Da man also als Einzelkämpfer gegenüber Stadt und MEG nicht weiterkommt haben wir uns einmal mit mehreren Personen der Problematik angenommen. Folgendes war von der Stadt oder der MEG zu erfahren:

  • Eine extra Anfahrt der MEG zur Säuberung eines Papiercontainerstandortes kann je nach Art des Müll und der Entsorgungsproblematik eine vierstellige Euro Summe kosten. (MEG)
  • Der Containerstandort Charlottenstr. wird mehrfach wöchentlich extra angefahren. (MEG)
  • Für jeden Person in einem Haushalt besteht laut Müllsatzung die Pflicht grds. 40l Abfallvolumen je Tonne bereit zu halten. (Abfallenstorgungssatzung)
  • Die Anzahl der in einzelnen Häusern lebenden Personen kann von der MEG nicht geprüft werden, dass ist Aufgabe der Stadt. (MEG)
  • Die Stadt kann die Anzahl der in einzelnen Häusern lebenden Personen nicht feststellen, da oft der Hauseigentümer nicht ermittelt werden kann und oder Sprachschwierigkeien bestehen. Darüber hinaus wird die tatsächlich anwesende Personenzahl oftmals durch "Gäste" verwässert. Auch (illegale) Untermieter sind nicht feststellbar. Ein Meldeverfahren zwischen Stadt und MEG existiert nicht. (Stadt)
  • Der an Containern aufgefundene Müll kann (auch wenn Adressen z.B. auf Briefumschlagen usw) festgestellt werden, nicht bestimmten Personen zugeordnet werden. Geld und Personal für derartige Feststellungen sind nicht vorhanden. Zu diesem Sachverhalt gäbe es auch ein höchstrichterliches Urteil des Bundesgerichtshofes, die Städte dürften in diesem Sinne derartige ilegale Müllentsorgung nicht ahnden. (Stadt)
In Mülheim gilt also folgendes:
  • Wenn man nicht gewillt ist Müllgebühren zu zahlen, dann stellt man den Müll einfach irgendwo hin. Die Dummen sind die, die über ihre Müllgebüren diese Art der Entsorgung mitbezahlen.
  • Nicht legale Müllentsorgung wird nicht geahndet. Im Zweifel kann man als Ausrede anführen, dass man die Sprache nicht versteht, dass man davon nichts gewusst hat. Oder man zitiert das genannte BGH Urteil, dass einem die Stadt geradezu "in den Mund legt".
Was die Stadt nicht verstehen will ist der Effekt, dass eine so wie so schon belastete Wohngegend immer noch mehr belastet wird. Hier in Eppinghofen zieht man Leute, die billig wohnen wollen auch noch an, denn wer hier Müllgebühren zahlt ist selbst schuld, die "andere Art" der Müllentsorgung spricht sich nämlich sehr schnell rum. Desweiteren ist diese Art der Müllentsorgung nur eine offen erkennbares Zeichen für ein ganzes weiteres Bündel von Problemen. Es gibt hier mehrer Häuser, die (illegal) Keller- und Dachräume zu Wohnungen ausgebaut haben, dort wohnen entsprechende Leute, die ebenfalls nirgendwo gemeldet sind. Was ist mit dem Ungezieferproblem? Sonstigen Gesundheits- und Verletzungsgefahren? Müssen hier erst riesige Ratten rumlaufen, wie auf dem Spielplatz "Auf dem Dudel". Also einen Spielplatz haben wir hier direkt neben dem Containerstandort. Eine mehr als unglückliche Wahl.

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